Matthias Künzel, Richter am Sozialgericht Augsburg, überzeugt beim Politischen Aschermittwoch in Deuringen

Veröffentlicht am 10.03.2011 in Soziales & Familie
Fakten statt Polemik: Matthias Künzel erklärte souverän und kompetent die schwierigen juristischen Vorgaben zu Hartz IV
Fakten statt Polemik: Richter Matthias Künzel informierte kompetent über die juristischen Vorgaben zu Hartz IV

Otto Großmann, ein Meister der Organisation und Motor des Deuringer Ortsvereins, hat es wieder einmal geschafft: Eine hervorragende Veranstaltung, bei der der Referent mit seinen Zuhörern dicke Bretter bohrte.

Wer das Eindreschen auf den politischen Gegner erwartet hatte, was ja typisch für die einschlägigen Aschermittwochsveranstaltungen ist, der wurde enttäuscht. Die SPD Deuringen hielt sich nicht mit Kritik am Gegner auf, sondern beschäftigte sich mit dem, was unsere Partei so wichtig und wertvoll macht: die Sorge und die Anstrengung für die Menschen, die am Ende der gesellschaftlichen Entwicklungen stehen, die - oft unverschuldet - in existentielle finanzielle Notlagen geraten. Spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 blickte selbst der interessierte Laie nicht mehr durch: Wer ist leistungsberechtigt? Welche Ansprüche können die Leistungsberechtigten geltend machen? Was hat sich durch das Urteil, die Regelungen bezüglich Hartz IV seien verfassungswidrig, des Bundesverfassungsgerichts, geändert?

Matthias Künzel brachte schnell Licht ins Dunkel. Entgegen dem Klischee, Juristen seien gar nicht oder nur schwer verständlich, arbeitete er Schritt für Schritt und immer für alle gut verständlich die Themen ab.

In einer ersten Informationsrunde erfuhren die zahlreichen Teilnehmer, wer überhaupt leistungsberechtigt ist. So muss, wer Leistungen nach Hartz IV beziehen will,
- über 15 Jahre sein und gleichzeitig die Altersgrenze für die Regelaltersrente noch nicht erreicht haben,
- erwerbsfähig sein,
- hilfebedürftig sein und
- den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben.
Berechtigt sind auch Personen, die mit Berechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben (zum Beispiel Kinder).

Keine Leistungen nach Hartz IV erhalten, Personen, die in einer stationären Einrichtung untergebracht sind (zum Beispiel: Bezirkskrankenhaus, Gefängnis), Rentner, die ihre Rente wegen des Alters beziehen, sowie grundsätzlich Auszubildende, deren Ausbildung nach dem BAFÖG förderungsfähig ist.

Die bisherigen Regelleistungen wurden vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt und liefen deshalb am 31.12 2010 aus. Richter Künzel stellte aber heraus, dass nicht vorrangig die Höhe der Leistungen für verfassungswidrig erklärt worden sei, sondern die Berechnungsweise.

Große Verärgerung sei in der Öffentlichkeit aufgekommen, als klar wurde, dass auch die neuen Sätze, die nach neuen und objektiveren Kriterien errechnet wurden, keine merklichen Veränderungen im Umfang der Leistungen erbracht haben. So erhielt der alleinstehende Hartz IV-Empfänger eine Regelleistung im Umfang von 359 € bis zum 31.12.2010. Nach Umstellung zum Jahreswechsel erhält dieser nun eine neue Regelleistung im Umfang von 364 €, also exakt 5 € mehr. Für die Zeit ab dem 1.1.2012 wurde zusätzlich zur dann regulär anstehenden Erhöhung eine weitere Erhöhung von 3 € beschlossen. Die Leistungen für Ehegatten stiegen ebenfalls um 5 € (bisher: 323 €; jetzt: 328 €). Die Leistungen für Kinder ab dem 14. Lebensjahr (alt und neu: 287 €), für Kinder von 6 bis 13 Jahren (alt und neu: 251 €) und für Kinder unter 5 Jahren (alt und neu: 215 €) lagen nach der Berechnung mit den neuen Kriterien unter dem bisherigen Satz, wurden aber kulanterweise belassen.

Der Veranstaltung tat besonders gut, dass Herr Künzel schon während seines Vortrags Verständnisfragen beantwortete. In der sich anschließenden, lebhaften Diskussion ging es vor allem um die Frage des angemessenen Wohnraums. Kontrovers diskutiert wurde über die Frage, ob es zumutbar sei, wenn Leute wegen der nur noch teilweise übernommenen Unterkunftskosten faktisch gezwungen sind, die Wohnung zu wechseln. Der SPD-Kreisvorsitzende Roland Mair warf ein, dass dies so nicht wahr sei. Aus dem Großraum Augsburg sei ihm kein Fall bekannt, bei dem Hartz IV-Empfänger tatsächlich ihre Wohnung hätten verlassen müssen, weil sich beispielsweise durch den Auszug von Kindern die Berechtigungslage verändert hätte. Dem widersprach Rechtsanwalt Günter Rieger, der von einer Mandantin berichtete, der genau das passiert sei.

Viele Beiträge in der Diskussionsrunde spannten den Bogen zur Frage der Mindestlöhne. Nur wenn für alle vernünftige und angemessene Löhne sichergestellt sind, lohnt es sich auch zu arbeiten, anstatt fürs Nichtstun Versorgungsleistungen zu beziehen.

Nach dreieinhalb Stunden ging ein interessanter und informativer Abend zu Ende. Wie sehr das Thema Hartz IV die Menschen beschäftigt, zeigte die hohe Teilnehmerzahl. Die SPD Deuringen hat mit dieser Veranstaltung ins Schwarze getroffen (bitte nicht doppeldeutig verstehen!), hierfür herzlichen Dank allen Helfern, allen voran dem Ortsvereinsvorsitzenden Otto Großmann.

Wie sehr Hartz IV auch den Alltag am Sozialgericht Augsburg bestimmt, verdeutlichte eine Zahl, mit der Matthias Künzel zu Beginn seines Vortrags überraschte: Im Jahr 2010 waren dort exakt 1.650 Klageeingänge bezüglich Hartz IV zu verzeichnen.

Da relativiert sich so mancher kernige Slogan der bayerischen Regierungsparteien. Ganz zum Schluss noch ein dickes Lob an die Küche der Waldgaststätte: Das Fisch- und Käsebuffet legte eine solide Grundlage für einen gelungenen Abend.

 
 

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